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Vorlage - 25/1860  

 
 
Betreff: Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus - Antrag der Initiative "Gegen das Vergessen", des Schülerrats der Europaschule Gymnasium Westerstede und der Oberschule sowie des Jugendbeirats der Stadt Westerstede auf Gedenken an die verfolgten und ermordeten Bürgerinnen und Bürger mittels Tafeln an den Wohn- und Wirkstätten
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Federführend:Leitung Dezernat I Bearbeiter/-in: Hinrichs, Hilke
Beratungsfolge:
Kulturausschusses Vorberatung
17.03.2025 
Sitzung des Kulturausschusses      
Verwaltungsausschuss Entscheidung

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Finanzielle Auswirkungen
Anlage/n

Beschlussvorschlag:

Dem Antrag der Jugendlichen wird stattgegeben.

a) Der Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Bürgerinnen und Bürger der Stadt Westerstede mittels Tafeln ggf. an Stelen an den Wohngebäuden oder an dem Standort der ehemaligen Wohngebäude wird zugestimmt. b) Die Stadt Westerstede lässt auf ihre Kosten eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Familie Karl Polak an der Stadtbücherei anbringen.

c) Der Verlegung von Stolpersteinen für nicht jüdische Opfer des Nationalsozialismus wird zugestimmt.

Voraussetzung ist ein mit den heutigen Eigentümern der betroffenen Immobilien einvernehmliches Vorgehen bei der Umsetzung, wie es auch sonst allgemein üblich ist.


Sachverhalt:

Seit Mitte der 1980er Jahre beschäftigt sich die Stadt Westerstede mit der Erinnerungskultur gegen das Vergessen der verfolgten und ermordeten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Im ersten Ergebnis dieser Diskussion ist Herr Werner Vahlenkamp mit der Aufarbeitung der Geschichte der Westersteder Juden beauftragt und eine Gedenktafel an der Stadtbücherei mit den Namen aller durch die Grausamkeiten der Nationalsozialisten verstorbenen Westersteder Jüdinnen und Judenerschaffen und mit einer öffentlichen Entschuldigung vom damaligen Bürgermeister Manfred Hüniken in einer Feierstunde mit Zeitzeugen aus Israel enthüllt worden.

 

Nachdem es dann 2008 wieder einmal zu einer Schändung des jüdischen Friedhofs gekommen ist, ist die Diskussion über die Gedenkkultur erneut entbrannt.

Über den Antrag der SPD zur Verlegung von Stolpersteinen im Rahmen des gleichnamigen Kunstprojekts von Gunter Demnig vor den früheren Wohnhäusern der jüdischen Mitbürger wurde am 25.08.2008 in einer Sondersitzung des Ausschusses für Kunst und Kultur, dessen Protokoll als Anlage beigefügt ist, mit Unterstützung der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Oldenburg Sara Schumann beraten. Nach den Ausführungen der persönlich betroffenen Gemeindevorsitzenden Schumann wurde einvernehmlich festgestellt, dass die Stolpersteine nicht die richtige Form der Erinnerung für Westerstede seien. Begründet wurde dies wie folgt: Wenn die Stolpersteine auch nur bei einigen Opfern des Nationalsozialismus das Gefühl erzeugen, man würde wieder auf sie herumtreten, dann möchte man diese Form der Erinnerung nicht. Andere Formen der Erinnerung wurden in der Diskussion als Alternative vorgeschlagen, wie Tafeln oder Stelen an den betroffenen Häusern.

Frau Sara Schumann empfahl dagegen eine lebendige Erinnerung, vorzugsweise über Jugendliche, über regelmäßige Veranstaltungen. Da dieser politischen Diskussion die Schändung des jüdischen Friedhofs vorhergegangen war, hatten sich parallel schon erste Jugendliche zusammengetan und den ersten Gedenkgang am 9. November organisiert. Sie erhielten von Beginn an die entsprechende Unterstützung und Förderung der Stadt, des zuständigen Kulturamtes. Auch bei der Pflege des jüdischen Friedhofs engagierten sich Schüler der Oberschule und veranstalteten Gedenkfeiern am 9. November. Die Pflege des jüdischen Friedhofs ist eine dauerhaft verankerte Aufgabe der Stadt.

 

Der Gedenkgang findet nach wie vor am 9. November statt, so wie es sich die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde gewünscht hatte, und wird von der Initiative „Gegen das Vergessen“, bestehend aus Schülerinnen und Schüler aus Westerstede, organisiert. Nur während der Coronazeit gab es hier eine Pause. Nicht nur Schüler, sondern Ratsvertreter und viele Bürgerinnen und Bürger, insgesamt inzwischen rd. 400 Menschen, nehmen regelmäßig teil.

 

Diese Initiative „Gegen das Vergessen“ hat nun zusammen mit dem Jugendbeirat der Stadt und dem Schülerrat der Europaschule Gymnasium Westerstede sowie der Oberschule das Thema Gedenkkultur – Erinnerung über Stolpersteine oder Tafeln/Stelen beschäftigt. Da sich an der Haltung der jüdischen Gemeinde in Oldenburg nichts geändert hat, hat sich die Initiative „Gegen das Vergessen jetzt mit einer Alternative beschäftigt, die aus München kommt und in Oldenburg praktiziert wird. Diese Alternative ist Gegenstand des Antrages.

 

In dem anliegenden Antrag geht es zum einen um die Festlegung der Form des Gedenkens bzw. der Zustimmung der Stadt Westerstede zur Wahl der Tafeln zum Zwecke der Erinnerung an die verfolgten und ermordeten jüdischen Mitbürger. Zum anderen geht es um den eigenen Beitrag der Stadt für die Gebäude, die im Zuge der Judenverfolgung in Gemeindebesitz gekommen sind. Das Wohnhaus der Familie Karl Polak, die heutige Stadtbücherei kam in den Stadtbesitz, die Grundstücke der Familien Siegfried Meyer, das heutige Jobcenter, und der Familie Frank, das Klinikgelände, liegt heute im Eigentum des Landkreises.

 

Die jungen Leute wollen darüber hinaus durch eigene Aktivitäten das Geld für die Tafeln im privaten Raum zusammen sammeln, insbesondere fühlen sie sich verantwortlich für die Familie Silberbach, deren Mitglieder Mitschülerinnen des Gymnasiums gewesen sind.

Hier geht es darum, diese Aktivitäten ggf. zu unterstützen. Eine solche Unterstützung hat auch der Arbeitskreis christlicher Kirchen zugesagt.

 

Für die Akzeptanz der Gedenkkultur ist es sehr wichtig, dass bei den privaten Wohngrundstücken das Einvernehmen mit den Eigentümern im Vordergrund steht. Das wurde aber im Antrag der Jugendlichen ausdrücklich zugesichert.

 

Neben dem Gedenken an die jüdischen Opfer sind die Jugendlichen auch sehr interessiert an der Aufarbeitung der Geschichte der nichtjüdischen Opfer und schlagen für diese Gruppe die Form der Stolpersteine vor.

 

In der Sitzung werden Vertreter der Initiative „Gegen das Vergessen“ das Projekt selbst und Schüler:Innen ihre Arbeit im schulischen Kontext zu dieser Thematik vorstellen, um deutlich zu machen, dass das Wirken der Initiative, unseres Jugendbeirats und der Schüler:Innen sehr eng miteinander verzahnt ist. Gerade das hat die Angehörigen der Westersteder Juden in der Vergangenheit besonders erfreut und ein Stück weit auch mit Westerstede versöhnt.

 

Die Kosten für die vergoldeten Erinnerungszeichen, wie sie in München und Oldenburg verwandt werden, belaufen sich bei einem Erinnerungszeichen auf 1.800,--€, bei zwei auf 2.400,--€. Alternativen dazu sind über Jan-Dirk Vahlsing angefragt und werden bei entsprechender Eignung in der Sitzung von den Jugendlichen vorgestellt. Die Alternativenprüfung erfolgt neben den Wirtschaftlichkeitsaspekten vor allem auch deshalb, weil sich die Münchner Variante explizit nur auf die Verstorbenen beschränkt, nicht aber die Verfolgten in der Gesamtheit umfasst.


Finanzielle Auswirkungen:

Die Kosten in Höhe von 1.800,--€ bis 2.400,--€ für die Tafel an der Stadtbücherei werden aus dem für die Stadtbücherei zuständigen Bildungsbudget bestritten. Für die mögliche finanzielle Unterstützung in den Folgejahren müssen Mittel im Kulturetat eingeplant werden.


Anlage/n:

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Antrag der Initiative gegen das Vergessen (530 KB)      
Anlage 2 2 08-08-25_Ausschuss_fuer_Kunst_und_Kultur_Protokoll (38 KB)